Redispatch 2.0

Wissenswertes für Anlagenbetreiber

Ab dem 1. Oktober 2021 gelten neue Vorgaben für die Bewirtschaftung von Netzengpässen im deutschen Stromnetz. Das betrifft nicht nur die Netzbetreiber, sondern auch die Anlagenbetreiber. Neue Prozesse sollen den Informations- und Datenaustausch, den Bilanzkreisausgleich sowie die Abrechnung optimieren. Um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen ist daher eine branchenweite Zusammenarbeit notwendig.

Mitarbeiter der Leitungspartner im Windpark

Hintergrund

Im Zuge der Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG 2.0) werden die Regelungen zum Einspeisemanagement von EE- und KWK-Anlagen in EEG und KWKG zum 1. Oktober 2021 aufgehoben und ein einheitliches Redispatchregime (Redispatch 2.0 oder RD 2.0) nach §§ 13, 13a, 14 EnWG eingeführt.

Redispatch ist notwendig, um Überlastungen im Stromnetz zu vermeiden und somit die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems aufrecht erhalten zu können. Hierzu wird deutschlandweit ein präventives Engpassmanagement in der Elektrizitätsversorgung aufgebaut. Werden Engpässe im Stromnetz prognostiziert, sind diese durch den betroffenen Netzbetreiber mithilfe kostenoptimaler Maßnahmen zu beheben. Dazu muss der Netzbetreiber zukünftig auf sämtliche Erzeugungsanlagen (auch EE-, KWK- sowie Speicheranlagen) mit einer Leistung von mehr als 100 kW zurückgreifen können. Diese Maßnahmen werden bilanziell und energetisch ausgeglichen, sodass dem Anlagenbetreiber durch Steuerungseingriffe keine Nachteile entstehen.

Bisher waren diese Maßnahmen auf das Höchstspannungsnetz der Übertragungsnetzbetreiber und konventionelle Erzeugungsanlagen > 10 MW beschränkt. Im Rahmen des NABEG 2.0 werden jedoch ab dem 01.10.2021 sämtliche Stromerzeugungsanlagen (auch EE-, KWK- sowie Speicheranlagen) ab 100 kW in Redispatch-Maßnahmen einbezogen.

Auswirkungen und Aufgaben für Anlagenbetreiber

Betreiber Redispatch 2.0-relevanter Anlage sind grundsätzlich für die Erfüllung sämtlicher regulatorischer Anforderungen im Kontext Redispatch 2.0 verantwortlich, die sich auf ihre Erzeugungsanlagen beziehen. Es steht ihnen jedoch frei, für die operativen Aufgaben einen sogenannten Einsatzverantwortlichen (EIV) zu beauftragen.

Welche wesentlichen Aufgaben habe ich als Anlagenbetreiber zu erfüllen?

  • Benennung eines Einsatzverantwortlichen (EIV) und eines Betreibers der Technischen Ressource (BTR)
  • Bereitstellung von Stammdaten
  • Bereitstellung von Bewegungsdaten
  • Festlegung der Abrufart für die Leistungsreduzierung (Aufforderungsfall oder Duldungsfall)
  • Festlegung des Bilanzierungsmodells (Planwertmodell oder Prognosemodell)
  • Festlegung des Abrechnungsmodells (Spitzwert -, Spitzwert-light -; Pauschalverfahren)

Betroffene Anlagenbetreiber im Netzgebiet der Leitungspartner wurden bereits mittels eines Schreibens zum Thema Redispatch 2.0 informiert und dazu aufgefordert, uns den jeweiligen EIV und BTR mitzuteilen. Sollte Sie, als betroffenen Anlagenbetreiber, dieses Schreiben nicht erreicht haben, kontaktieren Sie uns bitte umgehend!

Weitere Informationen:

FAQ zum Redispatch 2.0

Der EIV bestätigt den Zuordnungsvorschlag von TR zu SR des ANB (siehe Anschreiben vom 11.05.2021) oder unterbreitet dem ANB einen Gegenvorschlag.

Der EIV muss mittels elektronischem Datenaustausch diverse Informationen der Anlage bereitstellen. Der Kommunikationsweg findet vorzugsweise über die RAIDA-Plattform statt. Für die Kommunikation über RAIDA ist eine Anmeldung sowie die Beantragung einer ID erforderlich. Daten umfassen z.B. Stamm-, Planungs-, Echtzeitdaten sowie Nichtbeanspruchbarkeiten. Die erforderlichen Stammdaten nach BK6-20-061 sind ab dem 01.07.2021 zu übermitteln

Der EIV legt das Bilanzierungsmodell fest. Bei dem sogenannten Prognosemodell, prognostiziert der ANB auf Grundlage der bereitgestellten Stammdaten und Nichtverfügbarkeiten die Einspeisung und das resultierende Redispatch-Potenzial. Im Falle des Planwertmodells stellt Ihr EIV die geplante Erzeugung als Zeitreihe bereit. Grundsätzlich ordnen wir alle SR dem Prognosemodell zu, bis der EIV uns seine Festlegung mitteilt.

Das Abrechnungsmodell wird durch den EIV festgelegt. Es stehen, abhängig vom Energieträger, folgende Modelle zur Wahl: Pauschalverfahren, Spitzabrechnungsverfahren oder vereinfachtes Spitzabrechnungsverfahren.

Technische Ressourcen (TRs) und Steuerbare Ressourcen (SRs) sind neue Identifikatoren (IDs) gemäß Rollenmodell für die Marktkommunikation im deutschen Energiemarkt und dienen im elektronischen Datenaustausch zwischen den Marktpartnern als eindeutige Benennung von technischen Objekten.

Technische Ressource

Eine technische Ressource entspricht im Wesentlichen der Definition einer Stromerzeugungseinheit bzw. einer Stromspeichereinheit gemäß Marktstammdatenregister. Jeder technischen Ressource ist ein Identifikator zugeordnet. Mehrere Technische Ressourcen können zu einer Steuerbaren Ressource aggregiert werden, wenn die Aggregationsregeln hierzu erfüllt sind. Jede Technische Ressource muss in genau einer Steuerbaren Ressource enthalten sein.

Steuerbare Ressource

Die Steuerbare Ressource ist das abrufbare Objekt für Netzbetreiber (NB) im Redispatchprozess. Im Duldungsfall wird die Steuerbare Ressource vom NB gesteuert und im Aufforderungsfall aufgefordert bzw. angewiesen. In der Kommunikation zwischen NB wird immer nur auf Steuerbare Ressourcen referenziert.

Eine steuerbare Ressource setzt sich aus einzelnen technischen Ressourcen zusammen.

  • Einer steuerbaren Ressource ist mindestens eine Marktlokation zugeordnet.
  • Jede technische Ressource ist genau einer steuerbaren Ressource zugeordnet.
  • Eine steuerbare Ressource kann auch nur eine einzelne technische Ressource enthalten.
  • Eine steuerbare Ressource wird entweder über den Duldungsfall oder den Aufforderungsfall abgerufen.
  • Jede steuerbare Ressource ist genau einem EIV zugeordnet.

Für den Duldungsfall gilt: Sofern technische Ressourcen über eine gemeinsame technische Steuerungseinrichtung durch den Netzbetreiber steuerbar sind, müssen diese technischen Ressourcen zu einer steuerbaren Ressource zusammengefasst werden.

Für den Aufforderungsfall gilt: Sofern technische Ressourcen am selben Netzanschlusspunkt einspeisen oder der NB die netzanschlusspunktübergreifende Aggregation freigegeben hat und diese technischen Ressourcen die gleichen (kalkulatorischen) Kosten haben und diese technische Ressource denselben verantwortlichen EIV haben, können technische Ressourcen zu einer steuerbaren Ressource zusammengefasst werden.

Quelle: BDEW

Bei Engpässen im Stromnetz ist der Anschlussnetzbetreiber berechtigt, die Erzeugungsleistung Ihrer Anlage anzupassen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dies ändert sich mit der Einführung von Redispatch 2.0 nicht. Die Leistungsreduzierung kann dabei weiterhin über ein Fernwirkgerät (Funkrundsteuerempfänger oder Fernwirkanlage) in den vom jeweiligen Fernwirkgerät umsetzbaren Stufen erfolgen.

Im Redispatch 2.0 wird jedoch unterschieden, wer die Redispatch-Maßnahme umsetzt. Es wird der Aufforderungsfall und der Duldungsfall unterschieden.

Aufforderungsfall

Im Aufforderungsfall muss der Einsatzverantwortliche (EIV) den Einsatz an seiner Anlage selbst umsetzen („Der Anlagenbetreiber wird vom Netzbetreiber zur Regelung aufgefordert.“).

Duldungsfall

Beim Duldungsfall regelt der Anschlussnetzbetreiber die Anlagen („Der Anlagenbetreiber muss die Regelung des Netzbetreibers dulden.“). Der Duldungsfall entspricht dem heutigen Einspeisemanagement „EinsMan“.

Die Wahl der Abrufart (Aufforderungsfall/Duldungsfall) wird über die Austauschplattform Connect+ durch den EIV an den Netzbetreiber übermittelt. Liegt dem Netzbetreiber keine Zuordnung zu einer Abrufart vor, wird die Anlage dem Duldungsfall zugeordnet.

Entgegen dem derzeitigen Einspeisemanagement „EinsMan“ wird im Redispatch 2.0 nicht nur die eingespeiste, sondern auch die abgeregelte Energiemenge (sog. Ausfallarbeit) je Viertelstunde einem Bilanzkreis zugeordnet und somit ein bilanzieller Ausgleich erzielt. Für diesen bilanziellen Ausgleich und die Abrechnung werden prinzipiell zwei Modelle angeboten. Es wird zwischen dem Prognosemodell und dem Planwertmodell unterschieden. Die beiden Modelle unterscheiden sich vor allem in der Art der Erstellung der Erzeugungsprognose und werden zwischen dem Anlagenbetreiber und seinem Einsatzverantwortlichen (EIV) für jede Steuerbare Ressource (SR) abgestimmt.

Planwertmodell

Im Planwertmodell muss der EIV Anlagenfahrpläne (Erzeugungsprognosen) für jede Technische Ressource (TR) mindestens am Vortag an den Netzbetreiber übergeben. Um am Planwertmodell teilnehmen zu können, muss der EIV die Voraussetzungen des „Kriterienkatalog Planwertmodell“ (Anhang zu Anlage 1 zum Beschluss BK6-20-059 der Bundesnetzagentur) erfüllen. Erzeugungsanlagen mit einer Leistung ab 10 Megawatt müssen am Planwertmodell teilnehmen.

Prognosemodell

Im Prognosemodell wird die Erzeugungsprognose vom Netzbetreiber durchgeführt. Es müssen somit keine Anlagenfahrpläne an den Netzbetreiber übermittelt werden. Dem Prognosemodell werden alle Anlagen zugeordnet, die sich nicht im Planwertmodell befinden.

Das Abrechnungsmodell beschreibt die Methode, mit der im Falle einer Redispatch-Maßnahme die Ausfallarbeit ermittelt wird. Grundsätzlich wird zwischen Pauschalverfahren, Spitzabrechnungsverfahren oder vereinfachtes Spitzabrechnungsverfahren unterschieden.

Pauschal-Abrechnung

Die Pauschal-Abrechnung basiert dabei je nach Energieträger auf der Fortschreibung der letzten vollständig gemessenen Leistungsmittelwerte der Anlage vor der Maßnahme für den Zeitraum der Redispatch-Maßnahme.

Spitz-Abrechnung

In der Spitzabrechnung wird die Ausfallarbeit auf Basis von anlagenscharfen Wetterdaten/Fahrplandaten dynamisch je Viertelstunde ermittelt.

Spitz-Light-Abrechnung

Im Redispatch 2.0 besteht zudem die Möglichkeit eine vereinfachte Spitzabrechnung („Spitz Light“) zu nutzen, falls keine eigene Messung der Wetterdaten an der Erzeugungsanlage vorhanden ist. Die Wetterdaten in diesem Verfahren werden dabei nicht direkt an der Erzeugungsanlage gemessen, sondern stammen von Dritten (bspw. Wetterdienstleister oder dem Netzbetreiber).

Die Wahl der Abrechnungsmethode obliegt Ihnen als Anlagenbetreiber. Weitere Informationen finden Sie in der BDEW-Anwendungshilfe Einführungsszenario Redispatch 2.0 im Zusammenhang mit der Bundesnetzagentur-Festlegung BK6-20-059. Das Abrechnungsmodell ist zudem abhängig vom Bilanzierungsmodell und der Art der Energieerzeugung.

Die Plattform Connect+ stellt eine Art Postverteilzentrum für die Weiterleitung von Informationen zwischen den Akteuren aus dem Redispatch-Prozess dar. Für Anlagenbetreiber besteht ein Vorteil in dem sogenannten „Single Point of Contact (SPOC)“ sodass eine Übergabe der benötigten Daten nur noch an einer zentralen Stelle erfolgen muss. Dadurch können kostenintensive und fehlerintensive Schnittstellen eingespart werden, die speziell auf die vom Anlagenbetreiber genutzten Systeme angepasst werden müssen. Für Netzbetreiber bietet sich der Vorteil, dass Datenpakete an mehrere Akteure gleichzeitig verschickt werden können. Dadurch wird die Handhabbarkeit des Redispatch 2.0 Prozesses deutlich vereinfacht.

Alle Prozesse, einschließlich der Lieferung von Stamm- und Fahrplandaten sowie die Beschaffung der Ausgleichsenergie, müssen rund um die Uhr an allen Tagen des Jahres bedient werden.

Der Redisaptch 2.0-Prozess ist prognosebasiert und wirkt präventiv auf die Netzsicherheit. Der Prognosehorizont beträgt bis zu 36 h.

Der Kaskaden-Fall im Sinne der VDE-AR-N4140 ist eine Notfallmaßnahme, in der innerhalb kürzester Zeit aktiviert wird. Eine Aktivierung solcher Notfallmaßnahmen ist grundsätzlich nur zulässig, wenn keine Umsetzung von Redispatch 2.0 Maßnahmen mehr möglich ist.

Ansprechpartner

Für weitergehende Fragen wenden Sie sich bitte an:

Team Redispatch 2.0
E-Mail: redispatch-leitungspartner@dem.gmbh